In den eineinviertel Jahren seiner Haft in Graz und Berlin-Moabit schreibt der Eingekerkerte angesichts physischer und psychischer Drangsal wie in einem Schaffensfieber. Während rund 600 seiner Gedichte in Berlin-Moabit mit "Schreiberlaubnis" verfasst werden können und überwiegend "unpolitisch" anmuten, entstehen in Graz und in Berlin-Moabit etwa 200 Gedichte auf insgesamt 80 überlieferten Kassibern. Die Texte werden durch die Wand in die Nebenzelle gemorst oder selbst verstohlen niedergeschrieben; kleine und kleinste Zettel werden in die Bünde von Kleidungsstücken eingenäht, Besuchern per Handschlag weitergegeben oder auf andere Art nach draußen, in die Freiheit, geschmuggelt. - Sie sollen uns nicht zittern sehen ist dabei nur einer jener klaren, trotzenden Gedanken, mit denen sich der Dreiundzwanzigjährige seinen Henkern entgegenstellt.
Der aus literarischen und nicht-literarischen Teilen bestehende Nachlass Richard Zachs umfasst etwa 1500 beschriebene Seiten in unterschiedlichster Form (Tagebücher, Notizblöcke, Arbeitshefte, Einzelblätter usw.), davon je zur Hälfte lyrische bzw. prosaische Aufzeichnungen; ca. 1000 Seiten entstanden vor der Haftzeit des Dichters.
Insgesamt liegen rund 900 Gedichte mit 56 Zweitfassungen vor, davon entstanden etwa 120 vor der Haftzeit und nahezu 800 (!) während der Haft. Die wesentlichen epischen und prosaischen Niederschriften stammen aus der Zeit vor der Haft, darunter befindet sich u.a. ein über 350 Seiten langes Romanfragment oder ein fast 200 Seiten umfassendes Versepos.
Sofern bei dem jungen Richard Zach überhaupt von einem "Lebenswerk" gesprochen werden kann, reicht es vom zarten Natur- und Liebesgedicht bis zum schmetternden Pamphlet, von der lyrischen Gestaltung einzelner Menschenschicksale bis zu fast hymnisch anmutenden Lobgesängen auf das Leben, vom knapp formulierten Spruch bis zum umfassenden philosophischen Gedicht. Richard Zach verstand es, bewusst und unbewusst, verschiedene Strömungen und Traditionen der deutschsprachigen Literatur aufzugreifen und diese, unter Einbeziehung der ihm gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Entwicklung, oft auf neue Art fruchtbringend zu gestalten. Er probierte unterschiedlichste Formen der Vers-, Reim- und Rhythmusgestaltung, die sichtlich nie unabhängig vom jeweiligen Gedichtinhalt entstanden. Dazu liebte er Sprachexperimente, die etwa in sprachlichen Neuschöpfungen oder Ableitungen zum Ausdruck kommen.
Der Gedanke, der auf unterschiedliche Weise fast alle Gedichte oder Themenkreise durchzieht, handelt von ständiger Kritik am Blind-, Taub- und Lahmsein und der Aufforderung zum Schauen, Hören und Tätigsein. Die Aktivität bildet das verbindende zentrale Moment, wenn diese beiden Elemente in ihrem Entwicklungszusammenhang als reale Gegebenheiten oder Möglichkeiten dargestellt werden. Mit vielen Gedichten steht Richard Zach auch in der Tradition der Literatur der Arbeiterbewegung.